In dieser besonderen Zeit werden wir auf das Fastentuch von Sieger Köder schauen.
Fasching, Karneval, Fastnacht, die tollen Tage sind vorbei, wir haben viel gefeiert, durften uns freuen und lustig sein. Und jetzt … ?
Bei Paulus heißt es im 2.Korintherbrief:
„Gebt Acht: Jetzt ist die Zeit der Gnade! Jetzt ist der Tag der Rettung!“
Wir sind gerufen aufzubrechen, wir gehen heute auf den Weg nach Ostern, 40 Tage durch die Wüste, nicht ganz, durch die Fastenzeit. Schön, dass Sie mitgehen, sich mit auf den Weg machen wollen.
In diesem Jahr wird das Fastentuch am Altar von St. Bonifatius, Jugenheim, in der wir als Gemeinschaft Gottesdienst feiern dürfen, Wegbegleiter sein. Fastentücher sind keine Erfindung der Neuzeit, Fastentücher gibt es seit fast 1000 Jahren: in der Fastenzeit wurde der Altar sowie das Geschehen am Altar verhüllt. Ein gestickter Vorhang wird bereits in Sankt Gallen um 895 erwähnt.
Das “velum quadragesimale”, wie das Fastentuch in der lateinischen Kirchensprache auch genannt wurde, fand über die Klöster auch allmählich Eingang in den Pfarrkirchen und erstreckte sich im 14. und 15. Jahrhundert über das gesamte Abendland.
Hoffnung den Ausgegrenzten
Das Auffallendste an diesem Misereor-Hungertuch ist der krasse Gegensatz einer dunklen Atmosphäre in der Mitte und leuchtender Farben in den Seitenbildern, und die fast unerträgliche Spannung zwischen dem verzweifelten Schrei des Gekreuzigten und dem hoffnungsvollen Ausblick der Geretteten.
Wir wollen uns an den Fastensonntagen davon leiten lassen, leben wir nicht alle irgendwie in dieser Spannung in unserer Welt. Egal wo wir hinschauen, in die großen und kleinen Ereignisse, Kriege dieser Zeit. Auch wenn es manchmal nicht mehr erträglich scheint, was den Frauen und Kindern in aller Welt immer wieder angetan wird und natürlich auch den Männer, die dann traumatisiert sind, nicht mehr weiter wissen.
So wird das UNHEIL immer wieder neu genährt und weitergegeben, von Generation zu Generation. So kann uns genau jetzt dieses Hungertuch, das Misereor mit dem Maler Sieger Köder+ Mitte der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts aufgelegt hat, helfen und in unserem Gang durch die Wüste nach Ostern hin zu orientieren.
Wir dürfen, in der Gewissheit des gnadenvollen Geschehens um Jesus Christus, dem Heiland der Welt, hoffnungsvoll nach vorne schauen, und aus in Solidarität mit all denen, denen wir täglich in den Informationen begegnen, im Rückblick auch das Alte und Neue Geschehen aus der Heiligen Schrift, wie es auf dem Hungertuch „Hoffnung den Ausgegrenzten“ eindrücklich aufgezeigt wird.
Wir sind Söhne und Töchter des einen Gottes und wir sind Frauen, Männer und Kinder der nur „EINEN WELT“, die Gott uns anvertraut hat und in der wir, besonders aus dem Wissen des Evangeliums, Verantwortung tragen.
So wünsche ich alles Gute, Gottes Segen und pace e bene, für unseren Weg durch die Wüste, durch diese Fastenzeit hin zum großen Fest des neuen Lebens zu Ostern 2015.
Ihr / Euer,
Bruder Wolfgang Novak, CFPB
Beginnen wir mit Jesus, dem Gekreuzigten:
Mittelpunkt des Hungertuches ist und bleibt der Gekreuzigte.
Von ihm sagt der Hebräerbrief:
„Er hat uns den neuen und lebendigen Weg erschlossen durch den Vorhang hindurch!“ Hebr 10, 20.
Das will auch der Maler auf seine Weise: Durch den Vorhang seiner Farbbilder hindurch öffnet er uns einen Weg vom Kreuz zur Auferstehung. Der Vorhang „zerreißt“. Im Hintergrund schauen wir in eine schwarze Nacht, in einen Abgrund, über dem einer stirbt und schreit. Damit zerreißt auch manche fest verwurzelte Vorstellung von Gott, zerreißen Wünsche und Träume, die wir nur für uns selber hatten, nicht aber für andere. Der Vorhang zerreißt; aber was wichtiger ist: Er „reißt auf“ – die Sicht einer neuen Welt, in der das Leben über den Tod (Sintflut), die Ohnmacht (Mirjam) über die Macht, das Teilen (im Mahl) über den Hunger, die Liebe über das Ausgegrenzt sein (des Gelähmten) triumphiert.
Gewiss: Der Gekreuzigte des Hungertuchs schockiert, tut weh. Er steht ja stellvertretend für alle Leidenden und Verletzten, für die der verwundete Arm auf fast allen Farbbildern ein Symbol ist. Die Botschaft vom Kreuz wird jedoch zur Botschaft der Hoffnung durch ein Motiv des Malers, das wie eine Mandorla den Gekreuzigten umschließt: der Regenbogen, der mit seinen Farben in allen vier Seitenbildern aufscheint. Er verkündet am deutlichsten: „Das letzte Wort in der Geschichte heißt nicht Untergang, sondern Rettung.“
Der Gott Noachs und Mirjams, der Gott der Hungernden und Ausgegrenzten, rettet uns. Er rettet uns in seinem Sohn, der uns liebt mit unendlicher Liebe, wofür Blut und Wasser, die aus seiner Seite fließen (Joh 19,34) Bild und Gleichnis sind.
Aus dem Misereor Begleitheft 1995/96 mit Gedanken von P. Theo Schmidkonz, SJ, Maler Sieger Köder+.