Einführung in die Fastenzeit 2015

In die­ser beson­de­ren Zeit wer­den wir auf das Fas­ten­tuch von Sie­ger Köder schauen.

Fasching, Kar­ne­val, Fast­nacht, die tol­len Tage sind vor­bei, wir haben viel gefei­ert, durf­ten uns freu­en und lus­tig sein. Und jetzt … ?

Bei Pau­lus heißt es im 2.Korintherbrief:
„Gebt Acht: Jetzt ist die Zeit der Gna­de! Jetzt ist der Tag der Rettung!“

Wir sind geru­fen auf­zu­bre­chen, wir gehen heu­te auf den Weg nach Ostern, 40 Tage durch die Wüs­te, nicht ganz, durch die Fas­ten­zeit. Schön, dass Sie mit­ge­hen, sich mit auf den Weg machen wollen.

In die­sem Jahr wird das Fas­ten­tuch am Altar von St. Boni­fa­ti­us, Jugenheim, in der wir als Gemein­schaft Got­tes­dienst fei­ern dür­fen, Weg­be­glei­ter sein. Fas­ten­tü­cher sind kei­ne Erfin­dung der Neu­zeit, Fas­ten­tü­cher gibt es seit fast 1000 Jah­ren: in der Fas­ten­zeit wur­de der Altar sowie das Gesche­hen am Altar ver­hüllt. Ein gestick­ter Vor­hang wird bereits in Sankt Gal­len um 895 erwähnt.

Das “velum quad­ra­ge­si­ma­le”, wie das Fas­ten­tuch in der latei­ni­schen Kir­chen­spra­che auch genannt wur­de, fand über die Klös­ter auch all­mäh­lich Ein­gang in den Pfarr­kir­chen und erstreck­te sich im 14. und 15. Jahr­hun­dert über das gesam­te Abendland.

Fastentuch von Sieger Köder

Hoffnung den Ausgegrenzten

Das Auf­fal­lends­te an die­sem Mise­re­or-Hun­ger­tuch ist der kras­se Gegen­satz einer dunk­len Atmo­sphä­re in der Mit­te und leuch­ten­der Far­ben in den Sei­ten­bil­dern, und die fast uner­träg­li­che Span­nung zwi­schen dem ver­zwei­fel­ten Schrei des Gekreu­zig­ten und dem hoff­nungs­vol­len Aus­blick der Geretteten.

Wir wol­len uns an den Fas­ten­sonn­ta­gen davon lei­ten las­sen, leben wir nicht alle irgend­wie in die­ser Span­nung in unse­rer Welt.  Egal wo wir hin­schau­en, in die gro­ßen und klei­nen Ereig­nis­se, Krie­ge die­ser Zeit.  Auch wenn es manch­mal nicht mehr erträg­lich scheint, was den Frau­en und Kin­dern in aller Welt immer wie­der ange­tan wird und natür­lich auch den Män­ner, die dann trau­ma­ti­siert sind, nicht mehr wei­ter wissen.

So wird das UNHEIL immer wie­der neu genährt und wei­ter­ge­ge­ben, von Gene­ra­ti­on zu Gene­ra­ti­on. So kann uns genau jetzt die­ses Hun­ger­tuch, das Mise­re­or mit dem Maler Sie­ger Köder+ Mit­te der neun­zi­ger Jah­re des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts auf­ge­legt hat, hel­fen und in unse­rem Gang durch die Wüs­te nach Ostern hin zu orientieren.

Wir dür­fen, in der Gewiss­heit des gna­den­vol­len Gesche­hens um Jesus Chris­tus, dem Hei­land der Welt, hoff­nungs­voll nach vor­ne schau­en, und aus in Soli­da­ri­tät mit all denen, denen wir täg­lich in den Infor­ma­tio­nen begeg­nen, im Rück­blick auch das Alte und Neue Gesche­hen aus der Hei­li­gen Schrift, wie es auf dem Hun­ger­tuch „Hoff­nung den Aus­ge­grenz­ten“ ein­drück­lich auf­ge­zeigt wird.

Wir sind Söh­ne und Töch­ter des einen Got­tes und wir sind Frau­en, Män­ner und Kin­der der nur „EINEN WELT“, die Gott uns anver­traut hat und in der wir, beson­ders aus dem Wis­sen des Evan­ge­li­ums, Ver­ant­wor­tung tragen.

So wün­sche ich alles Gute, Got­tes Segen und pace e bene, für unse­ren Weg durch die Wüs­te, durch die­se Fas­ten­zeit hin zum gro­ßen Fest des neu­en Lebens zu Ostern 2015.

Ihr / Euer,
Bru­der Wolf­gang Novak, CFPB


 

Beginnen wir mit Jesus, dem Gekreuzigten:

Mit­tel­punkt des Hun­ger­tu­ches ist und bleibt der Gekreuzigte.

Von ihm sagt der Hebräerbrief:
„Er hat uns den neu­en und leben­di­gen Weg erschlos­sen durch den Vor­hang hin­durch!“        Hebr 10, 20.

Das will auch der Maler auf sei­ne Wei­se: Durch den Vor­hang sei­ner Farb­bil­der hin­durch öff­net er uns einen Weg vom Kreuz zur Auf­er­ste­hung. Der Vor­hang „zer­reißt“. Im Hin­ter­grund schau­en wir in eine schwar­ze Nacht, in einen Abgrund, über dem einer stirbt und schreit. Damit zer­reißt auch man­che fest ver­wur­zel­te Vor­stel­lung von Gott, zer­rei­ßen Wün­sche und Träu­me, die wir nur für uns sel­ber hat­ten, nicht aber für ande­re. Der Vor­hang zer­reißt; aber was wich­ti­ger ist: Er „reißt auf“ – die Sicht einer neu­en Welt, in der das Leben über den Tod (Sint­flut), die Ohn­macht (Mir­jam) über die Macht, das Tei­len (im Mahl) über den Hun­ger, die Lie­be über das Aus­ge­grenzt sein (des Gelähm­ten) triumphiert.

Gewiss: Der Gekreu­zig­te des Hun­ger­tuchs scho­ckiert, tut weh. Er steht ja stell­ver­tre­tend für alle Lei­den­den und Ver­letz­ten, für die der ver­wun­de­te Arm auf fast allen Farb­bil­dern ein Sym­bol ist. Die Bot­schaft vom Kreuz wird jedoch zur Bot­schaft der Hoff­nung durch ein Motiv des Malers, das wie eine Man­dor­la den Gekreu­zig­ten umschließt: der Regen­bo­gen, der mit sei­nen Far­ben in allen vier Sei­ten­bil­dern auf­scheint. Er ver­kün­det am deut­lichs­ten: „Das letz­te Wort in der Geschich­te heißt nicht Unter­gang, son­dern Rettung.“

Der Gott Noachs und Mir­jams, der Gott der Hun­gern­den und Aus­ge­grenz­ten, ret­tet uns. Er ret­tet uns in sei­nem Sohn, der uns liebt mit unend­li­cher Lie­be, wofür Blut und Was­ser, die aus sei­ner Sei­te flie­ßen (Joh 19,34) Bild und Gleich­nis sind.

Aus dem Mise­re­or Begleit­heft 1995/96 mit Gedan­ken von P. Theo Schmid­konz, SJ, Maler Sie­ger Köder+.