November
Eines Abend, nach einem erfüllten Tag in Assisi und einer intensiven „Begegnung“ mit Klara und Franziskus vor dem Kreuz in Santa Chiara, beim Hinausgehen auf die Piazza wurde mein Blick gefesselt von diesem Abendhimmel, wie wir ihn in diesem Monat auf dem Kalenderblatt sehen können.
In der Meditation ging mir vieles durch den Kopf, auch und besonders die „Sorge“ um meine Geschwister, um unsere Gemeinschaft.
Neue Wege, im Geist des Evangeliums, mit den Geschwistern, besonders auch mit „Chiara und Francesco“ gehen zu können, ist eine wunderbare Gnade, wie sie der Himmel über S. Maria Maggiore nach Westen in eine geliebte Weite im milden Licht der Abendsonne führt.
Das lässt mich gerade denken an eine Geschichte der Beiden …
Rosen im Winter
Eine moderne Legende zu Franz und Klara von AssisiIn der Frühzeit ihrer Gemeinschaften wanderten Franziskus und Klara eines Tages vom Städtchen Spello durch Olivenhaine und Eichenwälder zurück nach Assisi. Dabei waren sie nicht wenig beunruhigt. Ein Haus hatte ihnen die Türe geöffnet und auf ihre Bitte hin etwas Brot und Wasser gegeben. Dabei hatten die Beiden aber böse Blicke auf sich gezogen,
und sie mussten peinliches Geflüster mit versteckten Witzen und phantasiereichen Anspielungen hinnehmen.Schweigend traten sie nun hinaus vor die untergehende Sonne. Es war die kalte Jahreszeit, und das Land lag ringsum mit Schnee bedeckt.
Als es am Horizont dunkelte, unterbrach Franziskus das traurige Schweigen: „Schwester, hast Du verstanden, was die Leute über uns gesagt haben?“ Damals verfolgte die römische Kirche nämlich mit aller Härte Laien, Frauen und Männer, die das Evangelium wie die Apostel lebten und gemeinsam umher zogen.
Klara gab keine Antwort.
Ihr Herz war wie zugeschnürt, und sie spürte, dass ihr Tränen näher waren als Worte. „Es ist Zeit, uns zu trennen“, sagte schließlich der hl. Franz. „Du wirst noch vor Einbrechen der Nacht in San Damiano sein. Ich werde allein gehen und Dir folgen, wie Gott mich führt.“
Da brach Klara in Tränen aus, blieb auf dem Weg stehen, fasste sich dann aber und ging gesenkten Hauptes weiter. In einem Wald stand sie still und wartete auf den Bruder: „Wann werden wir uns wiedersehen?“ „Im Sommer, dann, wenn die Rosen blühen“, erwiderte der Poverello. Da geschah etwas Wunderbares: Ringsum blühten Rosen auf den reifbedeckten Hecken. Nach dem ersten Staunen eilte Klara, pflückte einen Strauß Rosen und legte ihn Franz in die Hände.
Arnaldo Fortini, nach einer umbrischen Volkserzählung
Mit einem Bild von René Villiger: „Rosen im Winter!“
Wieder einmal wurde / wird mir bewusst: Staunend und still verharrend vor dem Portal von S. Chiara darf ich erleben wie mein Blick, der Blick meines Herzens durch das milde Abendlicht in die Weite geführt wird. Der Abendgesang der Vögel kommt dazu, ich schließe die Augen und
darf schweigend – hören, Worte aus 2 Sam 22,3:
„Du Gott, bist meine sichere Zukunft, mein Beschützer, mein starker Helfer, meine Festung auf steiler Höhe! Zu Dir kann ich fliehen, Du schützt mich vor aller Gewalt!“
Bruder Wolfgang Novak, CFPB